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Auszug aus der Grundschule für den Sanitätsdienst, Schweizerische Armee, 1987

3.12.3 Schlangenbisse

§ 307 Ursachen
1) Neben Schlangenbissverletzungen durch die Kreuzotter und die Juraviper, welche in der Schweiz freilebend vorkommen, gewinnen Bissverletzungen durch ausländische Schlangen (Auslandreisen, Terrarien) an Bedeutung.

2) Mit dem Schlangenbiss gelangen Giftstoffe in den menschlichen Körper, welche örtliche Reaktionen, ähnlich wie bei Insektenstichen, hervorrufen können. Daneben können Blutgerinnungsstörungen und eine Zersetzung der Blutkörperchen eine Rolle spielen.
3) Im Vordergrund stehen die Wirkung auf das Nervensystem (Muskelschwäche, Lähmungen, Gefühllosigkeit) und später Anzeichen einer Allgemeinvergiftung. Todesfälle durch Schlangenbisse sind bei uns sehr selten.

§ 308 Erscheinungsbild
►Bissstelle mit 1 oder 2 nadelfeinen Einstichen

►Schwellung und blutige Rötung um die Bissstelle (können bei tropischen Schlangen fehlen)
►Schmerzen an der Bissstelle
►Gefühllosigkeit im betroffenen Körperteil
►Muskelschwäche, Lähmungserscheinungen
►nach einiger Zeit Kopfschmerzen, Schweissausbrüche, Erbrechen, Atemnot und Herzbeschwerden
►Kreislaufschock

§ 309 Erste Hilfe - durch den Laien, nicht zu verwechseln mit ärztlichen Massnahmen
► Patienten beruhigen

Fingerringe, Uhren, Armbänder etc. ausziehen
► gebissenen Körperteil ruhigstellen eventuell hochlagern

► leichte Stauung herzwärts der Wunde mit breitem Tuchstreifen (keine Abbindung, der Puls muss fühlbar sein), vor allem zur Vermeidung einer Giftausbreitung über Venen und Lymphbahnen. Auch die direkte Kompression der Bissstelle durch einen Druckverband wird empfohlen.
Dieser "Druckverband" sollte wie von Sutherland (siehe Dok-Bandage) beschrieben als Bandage zur Lymphkompression ausgeführt werden:
1: Bandage so schnell wie möglich über die Wunde
2: betroffene Extremität distal (die dem Rumpf abgewandte Seite) ganz einbandagieren
3: Anziehen wie bei einer Verstauchung - Puls muss spürbar sein ; die Blutzirkulation darf NICHT abgebunden werden!
4: Ruhigstellung.
Diese Bandage kann - ohne sie zwischendurch zu lösen - über mehrere Stunden belassen werden. Bei stark schwellenden oder nekrotisierenden Giften sollte die Bandage nur
angelegt werden, wenn kein Arzt innert kurzer Zeit erreichbar ist, das heisst wenn das Leben einer eventuellen lokalen Amputation vorgezogen wird Generell sollte die Bandage aber nur solange nötig bis Arzt, Medikamente und Ausrüstung bereit sind (Infusion gesetzt), belassen werden. Bei Schweizer Giftschlangen wird nach neueren Erkenntnissen von einer Bandage abgeraten, da sie ein schwaches Gift besitzen.

Bissstelle desinfizieren Eine akute Infektionsgefahr liegt i.d.R. nicht vor. Die Praxis zeigt, dass minimste Reste von Gift um die Bissstelle vorhanden sind. Diese Reste sind für den Vergiftungsverlauf unbedeutend - diese Reste werden aber in einigen Ländern, in welchen lebensgefährliche Schlangen leben, für Tests nach dem ELISA- Prinzip zur Bestimmung der genauen Schlangenart verwendet. Darum sollte vor dem Eintreffen im Spital um die Bissstelle nichts manipuliert werden.
► Wunde kühlen (Eis) Eine Kühlung mit nassen Umschlägen (20°C) um eine Schwellung zu verzögern kann NACH der Bandage durchgeführt werden - aber NIEMALS mit Eis, eine Kryotherapie (Kälteanwendung) verstärkt eine eventuelle Nekrose massiv.
► KEIN Aussaugen, Auspressen und Einschneiden der Wunde. Jedes Schneiden ist Sache des Arztes !
► Flüssigkeitszufuhr (kein Alkohol);

► evtl. Schocklagerung

§ 310 Vorbeugende Massnahmen
Beim Begehen von schlangenverdächtigem Gelände (besonnte Hänge, insbesondere im Jura, in den Alpen und im Tessin):

► Vorsicht beim Steinplatten heben oder in sonnenerwärmte Mauern, Holzstösse, Heuhaufen oder Buschwerk greifen
►hohe Schuhe und kräftiges Auftreten
►Zelte und Schlafsäcke geschlossen halten
►nachts genügt meist der Schein einer Taschenlampe, um eine Schlange zu verscheuchen.
wenn Sie Schuhe anziehen wollen, die Sie im Freien abgestellt hatten, kippen Sie diese um bevor Sie sie anziehen.
►Schlangen reagieren auf Bewegungen und Vibrationen, sie hören nichts. Falls Sie unverhofft auf eine Schlange stossen, stehen Sie still und bewegen sich nicht! Jede Bewegung könnte von der Schlange als Bedrohung aufgefasst werden und sie zu einem Abwehrbiss veranlassen. Wenn die Schlange nicht selbst wegkriecht, bewegen Sie sich im Zeitlupentempo von der Schlange weg.
►Schlangen nie in die Enge treiben: wenn Sie bei einer Wanderung auf eine Schlange stossen, umgehen Sie das Tier grossräumig. Falls eine Umgehung nicht möglich ist, stampfen Sie in gebührendem Abstand mit den Füssen auf den Boden, bis die Schlange wegkriecht - in der Richtung, in welche die Schlange wegkriechen will, darf niemand stehen.
►Lassen Sie im Ferienhaus nie Lebensmittel zurück; Lebensmittel ziehen Mäuse an, Mäuse ziehen Schlangen an. Machen Sie das Gelände ums Haus übersichtlich (Gras mähen - während dem ganzen Jahr , entfernen von Gestrüpp, Laub- und Steinhaufen)
►Fassen Sie niemals auf dem Rücken liegende oder vermutlich tote Tiere an ! Das Totstellen samt Maulaufreissen etc. wird von vielen Schlangen als Tarnung und Abwehrverhalten benutzt.

Anmerkung: Kursivschrift = Bemerkungen WSS